Dieser Artikel wurde ursprünglich auf MoreThanDigital.info veröffentlicht.
Für eine Sache stehen die Tech-Zentren in Silicon Valley und Shenzhen wie keine anderen Regionen in unserer Business-Welt:
G E S C H W I N D I G K E I T
Dieser Anspruch ist fester Bestandteil jedes Geschäftsmodells. Die High-Tech Firmen beweisen das jeden Tag aufs Neue. Was können wir von Ihnen für die digitale Transformation lernen?
Das erste Mal hatte ich vor gut fünf Jahren in einem meiner Artikel mit Blick auf digitale Transformation in traditionellen Branchen dafür sensibilisiert.
Was Europa und speziell die DACH-Region betrifft, möchte ich das in 2021 einmal mehr tun. Denn ob wir wollen oder nicht: in unserer digital geprägten Welt besteht für zahlreiche Unternehmen nach wie vor das Risiko weiter zurückzufallen. Die prominentesten Beispiele, z.B. in der Automobilindustrie oder dem (Einzel-)handel, kennen die meisten von uns sicher aus der Tagesberichterstattung.
Geheimnisse aus Silicon Valley und Shenzhen
Was ist das wesentliche Geheimnis der agilen und schnell wachsenden Tech-Firmen?
Ihre größte Motivation: Die eigene „Big Idea“ in die Welt hinaus zu tragen. Und damit Dinge positiv zu verändern. Sei es nun Flatiron Health im Gesundheitsbereich. Oder Hive Box, die das weltweit größte Express-Schließfachsystem betreiben. Die Aufzählung lässt sich mühelos erweitern.
Wer das Silicon Valley oder Shenzhen schon erlebt hat, merkt dennoch eines sehr schnell: Trotz vermeintlicher Ruhelosigkeit ist die Atmosphäre in den Unternehmen verhältnismäßig entspannt. Klingt fast paradiesisch 😉
Also, woran liegt das?
Die Antworten sind sicher so vielfältig, wie das Silicon Valley oder Shenzhen selbst. Ich habe dabei allerdings nicht das tolle Freizeitangebot dieser Regionen im Kopf. Ich spreche speziell von den zahlreichen Ideen, Visionen, Menschen und Kulturen – ihrer Offenheit, ihrem Austausch untereinander und den dadurch entstehenden Spirit.
Für alle, die es gerne etwas faktischer haben: Die Leute sind hervorragend ausgebildet oder brillante Autodidakten. Selbstbewusst und absolut ergebnisorientiert. Und das Wichtigste: Sie sprechen offen miteinander.
Neue Herausforderungen, alte Probleme
Sicher, das Silicon Valley oder Shenzhen sind Zentren mit ganz eigenen Rahmenbedingungen. Trotzdem, gibt es Erkenntnisse, die wir für digitale Transformationsprogramme ableiten können? Speziell für traditionelle Branchen und Industrien?
Dazu lohnt sich noch ein weiterer, interessanter Blickwinkel:
Digitalisierung ist keine Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Mit dieser Aufgabe setzen wir Menschen uns bereits seit 70 Jahren auseinander. Stefan Fritz, Gründer und Geschäftsführer von synaix, kommentiert dazu das passende Buch „Maschinendämmerung“ von Thomas Rid. Ein Artikel, den ich zu diesem Thema stets gerne weiterempfehle.
Bleibt die spannende Frage: Haben wir uns über die Jahrzehnte im Umgang mit der Digitalisierung weiterentwickelt?
Ich meine ein klares JA.
Dennoch: Es drängt sich das Bild auf, dass der Großteil der traditionell geprägten Unternehmen hinter ihren digitalen Möglichkeiten zurückbleibt. Ja fast, dass sie sich in einer negativen Endlosschleife bewegen – zumindest was die schnelle, erfolgreiche Umsetzung angeht.
Dazu ein paar Zahlen der letzten acht Jahre:
- 2009 schreibt Thomas Pelkmann über die Infas-Umfrage zu IT-Veränderungsprozessen und Transformationsprojekten im Auftrag der SNP AG. Befragt wurden IT-Leiter:innen und Spitzenmanager:innen aus rund 60 international tätigen Unternehmen in Deutschland. Ein Fazit der Spitzenmanager:innen: Transformationsprojekte dauern zu lange.
- 2012 schreiben Michael Bloch, Sven Blumberg und Jürgen Laartz von McKinsey & Company darüber, wie man große IT-getriebene Projekte „on time, on budget, and on value“ umsetzt. Ausschlaggebend war u.a. ihre Feststellung, dass Projekte dieser Art im Durchschnitt 45% über den geplanten Kosten und 7% über der veranschlagten Zeit liegen. Und das bei 56% weniger Wertschöpfung als prognostiziert.
- 2015 veröffentlichen Mark Raskino und Graham Waller von Gartner das Buch „Digital To The Core: Remastering Leadership For Your Industry, Your Enterprise, and Yourself“. Im Fokus steht die Digitale Transformation in der Telekommunikationsbranche. Auch hier u.a. die Aussage, dass die Notwendigkeit zur Transformation allen klar ist. Die Umsetzung allerdings zu lange dauert und – man höre und staune – zu disruptiv ist.
- 2020 erblickt BearingPoints CFO 4.0-Studie das Licht der Welt. Diese macht deutlich, dass nur 5 Prozent der deutschen Unternehmen die dritte und höchste Digitalisierungswelle in ihrem CFO-Bereich erreichen. Und nur 10 Prozent der Finanzexperten nutzen ihre Zeit für wertschöpfende Dienstleistungen.
Auch wenn diese Beispiele sicher keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, zu denken geben sie einem allemal.
Das Beste aus beiden Welten verbinden
Zurück ins Silicon Valley und nach Shenzhen und auch zurück zur Frage, was wir für digitale Transformationsprogramme von dort ableiten können.
Eines sollte uns deutlich geworden sein: Wir brauchen definitiv mehr Agilität in unseren Organisationen!
Und wieder einmal mehr die Bereitschaft von ALLEN, bereits ausgetretene Pfade zu verlassen. Meiner Meinung nach sind viele Unternehmen noch auf eine zu klassische (zuweilen auch starre) Art und Weise strukturiert. Das betrifft Hierarchie, Entscheidungswege und Prozesse gleichermaßen. Mal völlig davon abgesehen, dass im Digitalzeitalter ein Smartphone-Verbot am Arbeitsplatz oder gesperrte Internetseiten schon ein wenig skurril sind. In einigen Unternehmen hat auch COVID-19 in diesem Punkt nicht unbedingt zu mehr Flexibilität geführt, leider.
Der einzig „starre“ Prozess ist idealerweise nur einer: nämlich der, der permanenten Veränderung. Alles andere wird den sich schnell wandelnden Anforderungen nicht mehr gerecht – weder auf Markt- und Kunden-, noch auf Unternehmensseite.
1.) Feedback
Eine agile Erfolgsmethode, die tief in der Tech-Welt-DNA verankert ist, heißt: „Feedback geben“. Und zwar nicht nur intern durch Vorgesetzte oder Kollegen:innen. Sondern vor allem auch von Partner- und Kundenseite.
2.) Iteration
Eine andere Methode heißt: „Iteration“. Zugegeben, dieses Vorgehen ist in der Softwareentwicklung seit Jahren Gang und Gäbe. Um Geschwindigkeit und Erfolg von Transformationsprojekten zu steigern, allerdings für viele traditionelle Branchen Neuland.
Vereinfacht bedeuten Feedback + Iteration ja nichts Anderes als „den Elefant in Scheiben zu zerlegen“ – somit Teilprojekte agiler umzusetzen und Ergebnisse umgehend sichtbar zu machen. Das fördert die Motivation aller Beteiligten. Und zeigt auch Risiken, Chancen und Erfolgsszenarien viel schneller auf. Echte „Quick Wins“ werden dadurch überhaupt erst möglich.
All das mag ein nach wie vor ein Novum für Europa und speziell die DACH-Region sein – selbst in 2021. Denn schließlich sind wir dafür bekannt, unsere Produkte oder Services bis zur Perfektion weiterzuentwickeln. Möglichst im stillen Kämmerlein, bevor „es“ das Licht der Welt erblicken darf.
Was im ungünstigsten Fall – und das kommt nicht selten vor – völlig am Markt und an (potenziellen) Kunden vorbeigeht. Aus Sicht der Entwickler bedeutet das „Frust“. Aus Sicher der Unternehmer:innen- und Gesellschafter:innen „teuer“. Dass sich endlich ein Umdenken lohnt, möchte ich in einem meiner kommenden Artikel aufzeigen.
Ein iteratives Vorgehen und das Lernen und Gestalten in Feedback-Systemen, beides bietet uns Unternehmer:innen, Führungskräften und Mitarbeiter:innen vor allem eines: Digital mehr anzupacken und im Sinne unserer Transformation schneller umzusetzen.