Der Artikel wurde ursprünglich auf MoreThanDigital veröffentlicht.
Auch wenn der Begriff Beirat im digitalen Zeitalter ziemlich traditionell klingen mag, tut sich aktuell einiges in diesem Bereich. Vor allem auf globaler Ebene finden erhebliche Veränderungen statt.
Ein Grund dafür ist die rasante Entwicklung neuer Technologien. Weitere Gründe sind die weltweiten Folgen der COVID-19-Pandemie, die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, die Inflation und die Energiekrise sowie die Turbulenzen an den Finanzmärkten, um nur einige der vielen Herausforderungen zu nennen.
In meinen Gesprächen auf Management-, Vorstands- und Gesellschafterebene wird deutlich, wie diese Faktoren derzeit das operative Geschäft beeinflussen – was die mittel- bis langfristige strategische Planung deutlich erschwert. Gerade Organisationen, die Wachstum als strategische Priorität betrachten, müssen in vielen Bereichen umdenken.
Die globalen Rahmenbedingungen und Methoden für nachhaltiges Wachstum verändern sich. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die Ausgestaltung des Beirats in Organisationen.
Ich bin überzeugt, dass sich diese Veränderungen weiter beschleunigen werden. Im Ergebnis führt dies auch zu einer Veränderung des Bedarfs an der Struktur des Beirats in Organisationen.
Der Grundstein dazu wurde bereits vor ein paar Jahren gelegt. Bereits 2021 hat die Studie „State of the Market“ des Advisory Board Centre verdeutlicht, dass die Zahl der Organisationen, die Beiräte als Teil ihrer Governance-Struktur nutzen, seit 2019 weltweit um 52 % gestiegen ist. Die anhaltende globale Unsicherheit und die hohe Volatilität in den Märkten sind darüber hinaus weitere Faktoren, die zunehmend zum Aufstieg des Projektbeirats beitragen.
Lassen Sie uns in den folgenden Absätzen anschauen, was ein Projektbeirat ist und welchen Mehrwert dieser erbringen kann.
Unterschied – klassischer Beirat vs. Projektbeirat
Mir fällt immer wieder auf, dass der Begriff „Beirat“ gerade im internationalen Kontext unterschiedlich interpretiert wird. Ohne zu wissenschaftlich zu werden, denke ich, dass zunächst die Definition des Begriffs ein solider Ausgangspunkt ist.
An dieser Stelle komme ich auf das Advisory Board Centre zurück, das den Begriff wie folgt definiert: Ein Beirat ist eine strukturierte, kollaborative Methode für Organisationen, um externe Berater:innen zu engagieren. Im Kern ist ein Beirat ein „Problemlösungsmodell“ und ein „Denksystem“.
Ich persönlich sehe den Beirat vor allem als Problemlösungsmodell. Dieser Ansatz fokussiert auf die Ursache oder das Ziel der Organisation, nicht auf die einzelnen Persönlichkeiten des Beirats. Um möglichen Fehlinterpretationen vorzubeugen: Selbstverständlich tragen die einzelnen Mitglieder mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung zur Ausgewogenheit, Qualität und zum Erfolg des Beirats bei. Trotzdem halte ich es für wichtig, dass die Interessen der Organisation im Mittelpunkt stehen und nicht die eigenen Befindlichkeiten. Das beginnt mit dem richtigen Selbstverständnis.
Vor diesem Hintergrund wird heute häufig der Begriff „Purpose“ verwendet. Gerade in diesem Aspekt sehe ich den wesentlichen Unterschied zwischen einem klassischen Beirat und einem Projektbeirat. Während der klassische Beirat in vielen Ländern auf unbestimmte Zeit bestellt wird und ein breiteres Aufgabenspektrum hat, hat der Projektbeirat von vornherein eine befristete, auf eine bestimmte Aufgabe fokussierte Wirkdauer.
Üblich sind beispielsweise Projektbeiräte, die für einen Zeitraum von 3 bis 18 Monaten engagiert werden, um den Markteintritt, die Supply Chain, das Krisenmanagement und die Bewertung von Geschäftsmodellen oder Beteiligungen zu begleiten.
Was den Projektbeirat wertvoll macht
Den erheblichen Mehrwert im Projektbeirat für Organisationen sehe ich vor allem in den folgenden zwei Aspekten:
- Flexibilität, um interne Lücken zu füllen, schwierige Aufgaben zu meistern und unter Risiko- und Ertragsgesichtspunkten effektiv zu steuern
- Weitblick, der durch die externe Unterstützung mit vielfältigen Fähigkeiten, aktuellem Wissen und relevanten Netzwerk-Kontakten in die Organisation vorübergehend integriert werden kann
Dass diese Aspekte für Organisationen aus den unterschiedlichsten Branchen interessant sind, zeigen auch die Zahlen: 34 % der neu geschaffenen Beratungsgremien sind projektbezogen – ein starker Indikator für die Anpassungsfähigkeit und Effektivität dieser Umsetzungsform. Markt- oder standortbezogene Beiräte sind dabei die am häufigsten gewählte Form des Beirats.
Die Organisationen decken damit in erster Linie ihren Bedarf an Markterfahrung, operativer Unterstützung, Verbindungen und lokaler Good Governance.
Fazit zum Projektbeirat
Ob klassischer Beirat oder Projektbeirat, welche Form am besten zur eigenen Organisation passt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Fakt ist, beide haben ihre Daseinsberechtigung. Meiner Erfahrung nach ist es zunächst wichtig, genau zu bestimmen, wo die Organisation und ihre Einflussfaktoren stehen, z. B. Lebenszyklus des Geschäftsmodells, Marktphase und mögliche Konsolidierung, Wachstumsstrategie, Gesellschafterstruktur etc.
Auch hier ist es wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein und die aktuelle Situation nicht zu beschönigen. Je nach Ausgangssituation und Zielsetzung kann der Projektbeirat dann anhand der oben beschriebenen Aspekte einen deutlichen Mehrwert für die Organisation bieten – insbesondere im Hinblick auf akut auftretende mögliche Auswirkungen „bekannter Unbekannter“ im Unternehmensumfeld. Letzteres haben wir alle mehr oder weniger seit Anfang dieses Jahrzehnts erlebt.